Drafts, Fragments and Paralipomena to the Four Mystery Dramas
GA 44
Translated by Steiner Online Library
Area in the forest. The entire scene, second act
(It sounds from springs and rocks):
O man, recognize yourself.
JOHANNES: I have been hearing them for years,
The words heavy with meaning.
They sound to me from air and water,
They resound from the depths of the earth.
Like the growth of the mighty oak
Into the small seed
Crowded together,
So finally rolls in
Into this cruelly high word,
What seemed comprehensible to my thinking
About the weaving of the elements,
About spirits and souls,
About the passage of time and eternity:
It lives in these sounds
O man, know thyself. (Echo)
And now — it becomes
Terribly alive within.
Around me, within me, there is nothing.
It is all just this one word:
O man, know thyself. (Echo)
It shatters me into a thousand beings.
I follow the day
And transform myself into night.
I must follow the earth,
As it revolves around the sun.
I roll in the thunder,
I flinch in the lightning,
I am — I am already no more.
The shell of my own body,
It is far away from me.
But I live as another being.
"He brought me bitter hardship;
I trusted him so completely.
He left me alone in my grief.
The cold earth shall have me,
Since he robs me of the warmth of life."
Oh, I am she whom I left behind.
I must suffer her torment.
Knowledge has given me strength,
To carry my self into another self.
Oh, terrible word! Ever new horrors
Resound to me from you:
Oh, human, recognize yourself. (Echo)
But how, in my own body,
Do I recognize myself again?
The human form has been taken from me.
Devoured by lust and greed,
A demon-like creature.
It is I — all doubt vanishes.
It is the hour
When I greedily crave
All the pleasures of all worlds.
I must be devoured:
By the wildness of my own being.
In my veins are consuming fires
The words of suns and of earths;
They live in my pulse,
They beat in my heart.
And even in my own thoughts,
I feel the weaving of strange worlds.
These are the fruits of the word:
O man, recognize yourself. (Echo)
But from the abyss —
What creature looks at me.
It stares at me gruesomely.
I feel chains
That bind me to you.
Prometheus was not so firmly
Chained to the rocks of the Caucasus
As I am to you.
Who are you, terrifying creature?
O man, know thyself. (Echo)
O — it is I myself.
Knowledge, it binds
Me to you, monster.
I wanted to escape you.
The worlds blinded me,
Into which my folly fled;
And so blinded am I again
In my blind soul. (Maria enters.)
O man, recognize yourself. (Echo) —
My friend, you here!
MARIA: I was looking for you.
Although I know
How much you love solitude,
After so many people's opinions
Flooded your soul,
As they assailed you today,
My heart still urges me
To find you now,
Since Benedictus' words
Have wrung such heavy words from you.
JOHANNES: How dear to me is solitude!
O friend, that too is now over.
It was painful to me,
What sociability first did to me;
But it was a shadow,
When I compare it to that storm,
That solitude then brought me.
Until now, being lonely was the cure,
When life's turmoil disturbed me,
But now even this
Has been taken from me.
Just now I could see
How loneliness drives me
Into all worlds, all beings;
How it snatches me away from myself,
To plunge me back into myself.
I have lost humanity's last refuge,
I have lost solitude.
MARIA: I must repeat the words to you,
Only Benedictus can help you.
We must listen to his wisdom.
And should we lose
All other supports,
His word will
Rebuild them all. —
JOHANNES: Mary, do you know
What was going on inside me
Before I saw you here.
It has become a heavy burden
For you too, noble friend.
But it is far from your nature
To grasp through experience
What has shattered me so completely.
You can ascend to luminous heights,
Sink into the most painful darkness,
You will always be yourself.
I would have to be able to believe
That nothing is the origin of beings,
If I could cherish the hope
That out of nothingness,
Which I experience within myself,
A human being should ever become.
I myself am nothing anymore.
I heard in our circle today
One and the other speak.
In each I saw my own being.
I had to stammer with one
Prayers in the monk's cell
And transform myself with him.
I heard in the other's soul
The fairy tale words of Felicia.
In every moment
The power of my own being died,
To reappear in a foreign life.
Thus I expand into worldly existence
The power of my own soul,
Always dying to myself.
O leave me, Maria.
I often called you.
You were my life
And the meaning of life,
And now I beg
As a favor from you:
Leave me, oh leave me.
MARIA: I will, but
You must promise me
That in the next hour
We will meet again at Benedictus.
JOHANNES: What says within me
That I could not see her?
It was not myself.
It is the demon,
To whom I am bound.
He speaks through me.
THE ECHO: He speaks through you:
O man, recognize yourself.
Gegend im Walde. Die ganze Szene, zweites Bild
(Es tönt aus Quellen und Felsen):
O Mensch, erkenne dich.
JOHANNES: So hör ich sie seit Jahren schon,
Die inhaltschweren Worte.
Sie klingen mir aus Luft und Wasser,
Sie tönen aus dem Erdengrund herauf.
Wie der gewalt'gen Eiche Wuchs
Ins kleine Samenkorn
Zusammen sich drängt,
So rollt zuletzt sich ein
In dieses grausam hohe Wort,
Was von der Elemente Weben,
Von Geistern und von Seelen,
Von Zeitenlauf und Ewigkeit
Begreiflich meinem Denken schien:
Es lebt in diesen Lauten
O Mensch, erkenne dich. (Echo)
Und jetzt — es wird im Innern
Lebendig fürchterlich.
Um mich, in mir ist nichts.
Es ist doch alles nur dies eine Wort:
O Mensch, erkenne dich. (Echo)
Es zersplittert in tausend Wesen mich.
Ich folge dem Tag
Und wandle mich in Nacht.
Ich muß der Erde folgen,
Da um die Sonne sie kreist.
Ich rolle in dem Donner,
Ich zucke in den Blitzen,
Ich bin — ich bin schon nicht mehr.
Des eignen Leibes Hülle,
Sie ist ganz fern von mir.
Doch leb ich als ein andres Wesen.
«Er hat mir bittre Not gebracht;
Ich habe ihm so garg7. vertraut.
Er ließ im Kummer mich allein.
Die kalte Erde soll mich haben,
Da er mir Lebenswärme raubt.»
O, ich bin sie, die ich verließ.
Ich muß erleiden ihre Qual.
Erkenntnis hat mir Kraft verliehn,
Mein Selbst in andres Selbst zu tragen.
O furchtbar Wort! Stets neue Schrecken
Ertönen mir aus dir:
O Mensch, erkenne dich. (Echo)
Doch wie, im eignen Leibe
Erkenne ich mich wieder.
Die Menschgestalt ist mir genommen.
Aus Lust und Gier verschlungen,
Gebilde dämongleich.
Ich bin es — aller Zweifel schwindet.
Es ist die Stunde,
Da ich gierig lechze
Nach allen Genüssen aller Welten.
Verschlingen muß mich:
Des eignen Wesens Wildheit.
In meinen Adern sind verzehrend Feuer
Die Worte von Sonnen und von Erden;
Sie leben in meinen Pulsen,
Sie schlagen in meinem Herzen.
Und selbst im eignen Denken,
Da fühl ich fremder Welten Weben.
Das sind des Wortes Früchte:
O Mensch, erkenne dich. (Echo)
Doch aus dem Abgrund —
Welch Wesen blickt auf mich.
Es starrt mich grausig an.
Ich fühle Fesseln,
Die mich an dich gefesselt halten.
So fest war Prometheus nicht
An Kaukasus' Felsen angeschmiedet
Wie ich an dich.
Wer bist du, schauervolles Wesen?
O Mensch, erkenne dich. (Echo)
O — selbst bin ich es.
Erkenntnis, sie schmiedet
An dich mich Ungeheuer.
Entfliehen wollt' ich dir.
Geblendet haben mich die Welten,
In welche meine Torheit floh;
Und so geblendet bin ich wieder
In meiner blinden Seele. (Maria tritt auf.)
O Mensch, erkenne dich. (Echo) —
Meine Freundin, du hier!
MARIA: Ich suchte dich.
Obwohl mir bekannt,
Wie lieb dir Einsamkeit ist,
Nachdem so vieler Menschen Meinungen
Vor deiner Seele hinfluten,
Wie heute dich bestürmten,
So drängt' es doch mein Herz,
Dich jetzt zu finden,
Da Benedictus' Worte
So schwere Worte dir entrungen haben.
JOHANNES: Wie lieb mir Einsamkeit!
O Freundin, auch das ist nun vorbei.
Es war mir schmerzlich,
Was erst Geselligkeit mir bewirkt;
Doch war's ein Schatten,
Vergleich ich es mit jenem Sturm,
Den Einsamkeit mir dann gebracht.
Bisher war einsam sein die Heilung,
Wenn Lebenswirrnis mich verstört,
Doch jetzt ist auch dies
Von mir genommen.
Soeben konnt' ich sehen,
Wie Einsamkeit mich hetzt
In alle Welten, alle Wesen;
Wie sie mir selber mich entreißt,
Um in mich selber
Zu stürzen mich dann wieder.
Mir ist des Menschen letzte Zuflucht,
Mir ist die Einsamkeit verloren.
MARIA: Ich muß das Wort
Dir wiederholen,
Nur Benedictus kann dir helfen.
Wir müssen seine Weisheit hören.
Und sollten stürzen
Auch alle andern Stützen,
Es wird sein Wort
Sie alle wieder bauen. —
JOHANNES: Maria, weißt du,
Was in mir vorging,
Bevor ich hier dich sah.
Es ist ein schweres Los
Auch dir geworden, edle Freundin.
Doch liegt es deinem Wesen fern,
Erlebend zu erfassen,
Was mich so ganz zerschmettert.
Du kannst in lichte Höhen steigen,
In leidenvollste Finsternisse sinken,
Du wirst du selbst stets sein.
Ich müßte glauben können,
Daß Nichts der Wesen Ursprung sei,
Wenn ich die Hoffnung hegen könnte,
Daß aus dem Nichts,
Das ich in mir erlebe,
Ein Mensch je werden sollte.
Ich bin selbst nichts mehr.
Ich hörte in unsrem Kreise heute
Den einen und den andern sprechen.
In jedem sah ich selbst mein Sein.
Ich mußte stammeln mit dem einen
Gebete in der Möncheszelle
Und wandeln mich mit ihm.
Ich hörte in des andern Seele
Die Märchenworte Felicias.
In jedem Augenblicke
Erstarb des eignen Wesens Macht,
Um aufzutauchen im fremden Leben.
So erweitre ich zum Weltensein
Der eignen Seele Kraft,
Ersterbend stets mir selbst.
O gehe von mir, Maria.
Ich rief dich oft.
Du warst mir Leben
Und Sinn des Lebens,
Und jetzt erfleh ich
Als Wohltat mir von dir:
Verlaß mich, o verlaß mich.
MARIA: Ich will es, doch
Du mußt es mir versprechen,
Daß wir in nächster Stunde
Bei Benedictus uns wiederfinden.
JOHANNES: Was sagt in mir,
Ich könnte sie nicht sehn?
Ich war es selber nicht.
Der Dämon ist's,
An den ich geschmiedet.
Er spricht durch mich.
DAS ECHO: Er spricht durch dich:
O Mensch, erkenne dich.
